von Orhan Aras
Wer den Roman Ali und Nino gelesen hat, weiß es. Gleich zu Anfang sagt Ali Khan Schirwanschir: „Nino war immer noch das schönste Mädchen auf der Welt.“
Obwohl wir nicht an Nino dachten, als wir in Köln abfuhren, erhielten wir Nachricht von ihr, sobald wir in Frankfurt ankamen: Die georgische Schriftstellerin Nino Haritischwili hielt dieses Jahr die Eröffnungsrede auf der Frankfurter Buchmesse!
Und obwohl diese Nino nicht die Nino war, die unser Ali Khan liebte, so hatte sie doch dieselbe Heimat und war ebenfalls eine junge Dame – die mit 35 Jahren schon zirka fünfzehn Romane geschrieben und eine Menge wichtiger Auszeichnungen erhalten hat.
Man sagt: „Was man beabsichtigt, das erreicht man“… Zu Ninos Eröffnungsrede kamen wir dennoch zu spät. Aber dann trafen mein Freund, der Schriftsteller Alaattin Diker, der auf der Messe abwechselnd links und rechts herumrannte, und ich einen anderen in Nino vernarrten Freund.
Sollten wir Alaattin zurücklassen, nachdem wir Hans-Jürgen Maurer getroffen hatten, der ein Bewunderer von Kurban Said ist, eine riesige Sammlung von Ali & Nino-Ausgaben besitzt – und außerdem Kurban Saids Mädchen vom Goldenen Horn veröffentlich hat?
Alaattin und ich besuchten den Stand von Aserbaidschan, wo wir ein schönes Gespräch über dieses interessante Land führten, und zwar mit unserem Freund, dem Beauftragten Aslan Dscheferow. Der berichtete über Aktivitäten und Versammlungen, die stattgefunden hatten und schenkte uns einige Bücher. Es waren viele Freunde dort, das Gespräch war schön, aber die Zeit war knapp …
Dann ging es zu den georgischen Ständen – denn Georgien war das diesjährige Gastland auf der Buchmesse. Dort suchten wir nicht nur Hans-Jürgen, sondern, um ehrlich zu sein, auch Nino.
Wir waren überrascht, als wir plötzlich die schönen, hochgewachsenen und schlanken georgischen Mädchen mit den falschen Wimpern sahen, die plötzlich um uns herumstanden. Sie sprangen in ihrer traditionellen georgischen Tracht auf die Bühne und bezauberten uns mit dem Kartuli-Tanz … Ich rief Hans Jürgen zu: „Sieh da Nino, Nino, nimm all die lebendigen Ninos!“ Er lachte mit einem süßen Lächeln.
Die Georgien gewidmete Abteilung war halbdunkel und in 33 Räume unterteilt. Den Georgiern zufolge müssen an wichtigen Tagen 33 Türen geöffnet, 33 Brote gebacken, 33 Boote bereitgestellt und 33 Lieder gesungen werden. Wir sahen dort 33 Türen … wenn wir auch keine 33 Lieder hören konnten. Doch als wir die ‚Tschtscha‘-trinkenden fröhlichen georgischen Literaturliebhaber um uns herum sahen, wurden auch wir fröhlich.
Dieses Jahr nahmen 7500 Verleger aus 110 Ländern an der Messe teil. Auch unser Freund Shahbaz Khuduoglu, einer der wichtigsten Verleger Aserbaidschans, war dort und ich kann sagen, dass auch der Duft von Ali und Nino in dem Gespräch mit ihm anwesend war.
Bis zum Verlassen der Messe sprachen wir mit Hans-Jürgen über Essad Bey, Nino und die aserbaidschanische Literatur. Hans-Jürgen Maurer, der, um mehr über Kurban Said (Essad Bey) zu erfahren, jeder kleinsten Spur nachgeht, die kleinste Zeitungsnotiz über ihn sammelt, ist gleichzeitig ein unermüdlich
er Forscher und Verleger. Er reiste bereits zweimal nach Aserbaidschan, kam dort in literarische Kreise und publizierte für die deutschen Leser ein großartiges Buch.
Als wir uns trennten, schenkte er uns ein Exemplar von Das Geheimnis (Sır). Dieses Buch, mit seinem wunderschönen Umschlag, enthält auf 380 Seiten die Übersetzungen ausgewählter Kurzgeschichten der wichtigsten aserbaidschanischen Schriftsteller. Wer kommt nicht alles in diesem Buch vor… Dschelil Memmedguluzade, Mir Dschelal, İsa Hüseynow, Sabir Ahmedli, İsa Melikzad
e, Maksud İbrahimow, Yusuf Samedoglu, Sabir Azeri, Anar, Eltschinin, Mevlut Süleymanli, Ramiz Rövschan, Kamal Abdulla, Rafig Tagı, Saday Budaqli, Afag Mesud, Mübariz Dscheferli, Yaschar, Etimad Beschiktschi, Orhan Fikretoglu, Dschawid Zeynalli….
Prof. Sieglinde Hartmann, eine der bekannten Germanistinnen Deutschlands, schrieb das Vorwort zu diesem Buch. Frau Dr. Hartmann, eine Expertin des mittelalterlichen Dichters Oswald von Wolkenstein, ist eine Wissenschaftlerin mit Verbindungen zur Slawischen Universität zu Baku. Ihr siebenseitiges Vorwort beginnt sie mit der Beschreibung des Bakuer Literaturmuseums und versucht, dem deutschen Leser, Entwicklungen in der aserbaidschanischen Literatur nahezubringen. Sie gab Beispiele von der Suche nach neuen Stilen und den Veränderungen, indem sie Beispiele der Geschichten von Yaschar, Dschawid Zeynalli, Rafig Tagi und Kamal Abdulla anführte.
Am Ende ihres Vorworts schrieb sie:
„Obwohl in diesem Buch verschiedene Themen behandelt werden, gibt es in jeder Geschichte Teile des menschlichen Lebens. In den Details dieser Geschichten treten die Unterschiede zwischen dem westlichen und dem orientalischen Menschen zutage. Weil sie diese Unterschiede hervorgehoben haben, schulden wir den Autoren Dank. Mit den Werken dieser Schriftsteller wird die Tür einer Welt die für und ein Geheimnis ist geöffnet und auch wir lernen durch die aserbaidschanische Literatur diese Welt kennen.“
Ich bedankte mich bei Hans-Jürgen für diesen einzigartigen Dienst, den er mit der Herausgabe dieses Buches getan hat, und er war hocherfreut. Obwohl er unsere Sprache nicht beherrscht, besuchte er in Baku die Oper Leila und Medschnun, die in aserbaidschanisch-türkischer Sprache gesungen wurde und lernte Aserbaidschan besser kennen als die meisten von uns.
Bei Sonnenuntergang verließen wir Frankfurt. Wir waren müde, aber durch den Duft der Bücher befanden wir uns in einer anderen Welt.